Die vorausschauende Instandhaltung (engl. Predictive Maintenance oder PM) kann dabei helfen, Schäden an Maschinen zu verhindern. Doch ein Garant gegen Großschäden ist sie nicht, und sie birgt auch eigene Risiken. Das ergaben Untersuchungen des Allianz Zentrums für Technik (AZT).
Die Formen der Maschinenwartung haben sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Quelle: AGCS
  1. Reaktive Instandhaltung bzw. Ausfallbehebung: ist bei unkritischen und kleinen Maschinen nach wie vor sinnvoll.
  2. Zeitgesteuerte, periodische Instandhaltung: wird zu festen Zeitintervallen durchgeführt; hat präventiven Charakter
  3. Zustandsorientierte Instandhaltung: Anomalien bei Maschinen werden mittels verschiedener Überwachungsparameter und Experten-Analysen aufgedeckt; die Instandhaltung erfolgt präventiv, abhängig vom Maschinenzustand.
  4. Vorausschauende Instandhaltung (= Predictive Maintenance): basiert auf permanenter Maschinen-Überwachung, verbunden mit einer Technik, die die weitere Entwicklung von Zustandsänderungen vorausberechnen kann.
DIN EN 13306 definiert vorausschauende Instandhaltungs­maßnahmen als Handlungen, die abhängig von einer Prognose eingeleitet werden. Diese Prognose basiert entweder auf Trendanalysen oder bei bekannten Mechanismen auf der Auswertung der jeweils maßgeblichen Parameter. Mustererkennung, Algorithmen für maschinelles Lernen und regelbasierte wie physikalische Modelle sind Technologien, auf denen PM-Systeme beruhen. Physikalische Modelle, auch Digital Twin genannt, simulieren das Verhalten der Maschine. PM-Systeme sollen Anomalien in den Maschinendaten automatisch erkennen und interpretieren, um so Störungen vorherzusagen. Im Idealfall bestimmen sie die Lebensdauer einer Maschine und empfehlen rechtzeitig Maßnahmen, um Ausfälle zu verhindern.
Die Untersuchungen des AZT zeigen aber auch, dass beim Einsatz von Predictive Maintenance einige Risiken unverändert bleiben, ja neue Risiken entstehen können. Vor allem Spontanereignisse sind durch die neue Technologie nicht zu verhindern, wenn keine messbaren Effekte im Vorfeld erkennbar sind: Das plötzliche Bersten einer Niederdruckturbinenwelle eines Dampfturbosatzes hätte auch durch Predictive Maintenance nicht verhindert werden können, da die Schadensentwicklung nicht durch Überwachungssysteme erkennbar gewesen wäre. Maximalschäden können daher trotz moderner Überwachungs- und Instandhaltungsmethoden nicht ausgeschlossen werden.
Spontaner Berstschaden einer Niederdruckturbinenwelle. Bild: AGCS

Darüber hinaus können Verschleiß und Störungen an nicht-überwachten Maschinenteilen nicht rechtzeitig erkannt werden. Ebenso kann es zu vermehrten Ausfällen und Schäden kommen, wenn auf Basis neuer Instandhaltungsstrategien bewährte Revisionszyklen verlängert werden.

Ein weiteres Risiko der Predictive Maintenance-Systeme besteht in der Qualität der verwendeten Daten. Fehlende oder fehlerhafte Datensätze, sowie eine mögliche Datenmanipulation (u.U. durch Cyberangriff) können zu nicht erkannten Störungen und somit zu Schäden führen.

Als Schadenforschungsinstitut beobachtet und begleitet das Allianz Zentrum für Technik die Etablierung von Predictive Maintenance-Methoden mit hohem Interesse. Für uns steht fest: PM wird zunehmend Verbreitung in der Industrie finden. Jedoch wird Instandhaltung, wegen der Komplexität von Maschinenanlagen und Fehlermechanismen, auch in Zukunft nicht ausschließlich nach dem vorausschauenden Modell erfolgen können; auch weiterhin werden Instandhaltungsmaßnahmen in festen Zeitintervallen notwendig sein.

Zugleich wollen wir für mögliche Risiken sensibilisieren. Die Industrie wie die Versicherer müssen sich mit den Chancen und Risiken von PM intensiv auseinandersetzen und eng mit den technischen Anbietern kooperieren. Die Bewertung eines Risikos darf auch unter Berücksichtigung von Predictive Maintenance nicht pauschal getroffen werden; vielmehr bedarf es, je nach Anwendungsfall, Optimierungsziel und Ausführung der Begutachtung durch den Experten. Wichtig ist dabei, kritische und bewährte Prinzipien, die dem Schutz der Anlage dienen, nicht über Bord zu werfen.

Tiefergehende Erörterungen zu den Chancen und Risiken von PM speziell bei Gasturbinen und Windkraftanlagen lesen Sie im englischsprachigen Trend Paper Predictive Maintenance:
Predictive Services und Maschinelles Lernen sind zwei Technologien im Bereich der künstlichen Intelligenz, die laut dem AGCS Trend Compass AGCS in den kommenden Jahren den größten Einfluss auf die Industrie haben dürften.
Die moderne Welt basiert auf Algorithmen, Computerprogrammen, die künstliche Intelligenz unterstützen - und jetzt helfen sie, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und die Zukunft vorherzusagen.
Thomas Gellermann
Angehörige der Allianz Zentrum für Technik bzw. der Allianz Risk Consulting GmbH thomas.gellermann@allianz.com
Dr. Johannes Stoiber
Angehörige der Allianz Zentrum für Technik bzw. der Allianz Risk Consulting GmbH johannes.stoiber@allianz.com
Stefan Thumm
Angehörige der Allianz Zentrum für Technik bzw. der Allianz Risk Consulting GmbH stefan.thumm@allianz.com
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