In aller Welt war man schockiert, als ein Großbrand die Kathedrale Notre-Dame in Paris massiv beschädigte; Unternehmen sollte das Unglück einmal mehr daran erinnern, dass Brände und Explosionen an 1. Stelle der Schadenursachen stehen.

Weil kein Bauwerk gegen Brandrisiko gefeit ist, geht der Global Risk Dialogue der Frage nach, wie sich Firmen besser schützen und darüber hinaus verhindern können, dass eine Betriebsunterbrechung nach einem Brand ein allzu großes Loch in den Bilanzen hinterlässt.

„Notre-Dame befand sich in unserer Obhut. Und wir sind gescheitert“, titelte die New York Times in Reaktion auf das Feuer, das letzten April Teile der fast achthundert Jahre alten Pariser Kathedrale in Schutt und Asche legte. Die Headline brachte auf den Punkt, was sich im Nachgang des Feuers überall einstellte: Gefühle des Bedauerns und der gemeinsamen Verantwortung.

Bilder der gotischen Kathedrale, die zeigten, wie eine der meistbesuchten und beliebtesten Sehenswürdigkeiten zu einer ausgebrannten Ruine zerfiel, erschütterten die Welt. Viele fragten sich, wie dies hatte geschehen können.

Wann immer Brände nicht verhindert werden können, ist dies eine der zentralen Fragen. Wie kann es sein, insbesondere im Fall von Notre-Dame – einem besonders wertvollen Kulturschatz Frankreichs und Europas –, dass Gebäude und Produktionsanlagen immer noch dem Feuer zum Opfer fallen, obwohl heute doch die höchsten Brandschutzstandards aller Zeiten gelten?

Brände und Explosionen sind weltweit die Hauptursache für Industrieschäden: In den letzten fünf Jahren haben mehr als 9.500 Fälle Schadensummen in Höhe von insgesamt mehr als 14 Mrd. Euro verursacht. Foto: Adobe Stock

Laut dem AGCS Global Claims Review: The Top Causes of Corporate Insurance Losses, einem globalen Bericht der AGCS über Schadensfälle, sind Brände und Explosionen weltweit sogar die Hauptursache für Industrieschäden: In den letzten fünf Jahren haben mehr als 9.500 Fälle Schadensummen in Höhe von insgesamt mehr als 14 Mrd. Euro verursacht – trotz der Bildung der ersten International Fire Safety Standard (IFSS) Koalition im Juli 2018, und trotz der Fortschritte bei der Entwicklung international gültiger Brandschutznormen.

Müssen wir an der Wirksamkeit derartiger Schutzmaßnahmen zweifeln? Unsere Gegenmaßnahmen ganz neu überdenken? Oder gibt es eine einfache Erklärung dafür, dass es in Unternehmen nach wie vor zu Brandschäden kommt?

„Es gibt drei Ansätze, dem Brandrisiko zu begegnen“, erklärt Stephen Clark, Global Technical und Expertise Manager im Bereich Property Risk Consulting bei der AGCS. „Brandverhütungsmaßnahmen, Löschtechniken sowie die Notfallplanung, um sicherzustellen, dass das Unternehmen sich so schnell und einfach wie möglich wieder erholen kann.“

Jeder dieser Schritte (siehe Tabelle) bedeutet Anforderungen an Betriebsleiter und Unternehmen, die  sich relativ einfach umsetzen lassen; ob sie tatsächlich wirksam sind, liegt allerdings nicht in ihrer Komplexität, sondern darin, ob sie im Alltagsbetrieb zur Gewohnheit geworden sind.

„Man erkennt immer schnell, ob ein Kunde bereits einen schweren Brandverlust erlitten hat oder nicht“, so Clark, der Nachlässigkeit als einen Hauptgrund für viele große Schäden nennt. Seiner Ansicht nach sind Sorgfalt und regelmäßig eingeübte Maßnahmen von entscheidender Bedeutung für die Verhütung eines Brandes und die Begrenzung der Folgen.

Insbesondere sollten Pläne für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs nach ihrer Ersterstellung nicht einfach in der Schublade verschwinden.

In der Regel werden diese Pläne von Risikoberatern nach einer gründlichen Analyse der wichtigsten Unternehmensprozesse entwickelt. Ziel ist es dabei, die Auswirkungen eines Brandfalls möglichst zu minimieren und anschließend so schnell wie möglich den Normalzustand wieder herzustellen.

Clark empfiehlt, Notfallpläne und andere Gegenmaßnahmen im Einklang mit der Unternehmensentwicklung immer wieder zu adjustieren, damit auch neu hinzugekommene Brandrisiken nicht unerkannt bleiben. Ein gut eingeübter, wirksamer Notfallplan kann darüber entscheiden, ob sich Schäden minimieren lassen oder signifikante Verluste ins Haus stehen.

Das Feuer von Notre-Dame erschütterte die Welt. Foto: WikiMedia Commons
  • Die Statistik der Versicherungsschäden zeigt, dass in den letzten fünf Jahren Brände und Explosionen weltweit die Hauptursache für Industrieschäden waren - trotz erheblicher Fortschritte im Bereich Brandverhütung
  • Gemeinsam mit Risikoberatern sollten die wichtigsten Geschäftsprozesse gründlich analysiert und auf dieser Basis Pläne für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs entwickelt werden; das minimiert Risiken und hilft Unternehmen dabei, nach einer Feuersbrunst wieder auf die Beine zu kommen
  • Nach einem Brand sind die Kosten der Betriebsunterbrechung und Rückwirkungsschäden mitunter höher als die der Sachschäden
  • Unternehmen können diese Risiken nur senken, indem sie ihre Brandschutzvorkehrungen vor Ort prüfen und regelmäßig auf den neuesten Stand bringen

Die direkten physischen Auswirkungen eines Brandes verursachen häufig hohe Kosten. Doch wegen der zunehmenden Verflechtung der Unternehmen untereinander liegen die Kosten für Betriebsunterbrechung (BU) und Rückwirkungsschäden (Contingent Business Interruption = CBI) in der Regel noch höher.

Auf der Grundlage der von der AGCS analysierten Schadenfälle beliefen sich die BU-Verluste, die Brände und Explosionen nach sich zogen, auf durchschnittlich über 6,5 Mio. USD pro Vorfall. Dieser Wert liegt fast um ein Drittel höher als der der tatsächlichen Sachschäden infolge von Bränden (4,4 Mio. USD). Unternehmen sollten sich also nicht nur die Frage stellen, wie man Brände am besten verhütet, sondern sich auch damit befassen, wie deren Auswirkungen eingedämmt werden können.

So sollten die Verantwortlichen unbedingt von vornherein Ausweich-Räumlichkeiten vor Ort festlegen, ja sogar einen alternativen Standort bestimmen, für den Fall, dass Produktionsgebäude vollständig zerstört werden, um von dort aus den Betrieb weiterzuführen.

Jürgen Wiemann, Regional Head of Property Underwriting für Mittel- und Osteuropa bei der AGCS, stellt allerdings fest, dass auf schwer umkämpften Märkten solche Ausweichmöglichkeiten wegen der damit verbundenen Kosten oft nicht in Betracht gezogen werden.

„Wenn das Geschäft brummt, wollen viele Unternehmen unter Volllast arbeiten, um aus der Marktsituation Kapital zu schlagen. Scheinbar Überflüssiges wie ungenutzte Räumlichkeiten wird deshalb vermieden. Für die Gewinnmaximierung ist das natürlich großartig, aber wenn es zu einem Störfall kommt, wie bei einem Brand, kann das zu einem vollständigen Produktionsstillstand und damit auch zu enormen Verlusten führen“, so Wiemann.

Die geschäftliche Widerstandskraft der Unternehmen und ihre Fähigkeit, die Nachfrage trotz Störungen zu befriedigen, machen eine Notfallplanung und gewisse Maßnahmen erforderlich.  Das kostet zunächst etwas, kann sich letztlich aber von unschätzbarem Wert erweisen.

Die zunehmende Rationalisierung von Geschäftsprozessen hat dazu geführt, dass die Abhängigkeit der Unternehmen von externen Auftragnehmern und Lieferanten so groß ist wie nie zuvor. Das zeigt sich am deutlichsten in der Automobilindustrie, wo sich die Autobauer bei der Herstellung und Lieferung ihrer Komponenten auf Zulieferer verlassen, anstatt die in der Fahrzeugproduktion benötigten Teile und Werkstoffe für teures Geld selbst herzustellen und zu lagern.

Wie ein Brand bei Meridian, einem Hersteller von Komponenten aus Magnesium im US-Bundesstaat Michigan, im Mai 2018 zeigte, birgt dieser Ansatz ein enormes BU-Risiko. Da es sich bei dem Betrieb um einen wichtigen Zulieferer von Automobilteilen für eine Reihe von Herstellern handelte, führte die Zerstörung des Meridian-Werks unter anderem zu erheblichen Störungen bei BMW und General Motors, während Ford sogar die Produktion des beliebten Pickup-Modells F-150 vorübergehend einstellen musste [1].

Das Feuer löste eine Reihe von Explosionen aus, zerstörte einen Teil der Anlage und verletzte zwei Arbeiter. Laut Berichten löste es BU-Verluste im 3-stelligen Millionenbereich in der gesamten Branche aus [2].

Ein einziger Brand in einem Magnesiumwerk in Michigan verursachte erhebliche Lieferengpässe bei Automobilherstellern. Foto: Lansing State Journal

Lieferanten und Auftragnehmer gehen mit ihrem Brandrisiko unterschiedlich um – nicht selten gibt es ganz unterschiedliche Schutzniveaus. Unternehmen fällt es häufig schwer, die Schutzmaßnahmen ihrer Partner in der Lieferkette genau im Auge zu behalten, was die Gefahr eines hohen unsichtbaren BU- und CBI-Risikos birgt.

Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen und ihre Versicherer eng zusammenarbeiten, um das Risikomanagement zu verbessern.

In diesem Zusammenhang geht Wiemann näher auf ein gemeinsames Projekt mit einem großen Automobilbauer ein. Wie viele andere Unternehmen auch verfügte dieser zwar einerseits über gute Risikomanagementprogramme für seine eigenen Produktionsanlagen; andererseits aber hatte er Informationen über die Brandschutzvorkehrungen seiner Schlüssel-Lieferanten nicht ohne Weiteres parat.

Abhilfe schuf hier die AGCS CBI Risk Transparency, eine Matrix, die Lieferanten hinsichtlich verschiedener Gegebenheiten nach Risikotypen kategorisiert, um das eigene CBI-Risiko besser einschätzen zu können. Im Laufe des Projekts wurden Informationen zu den Risiken der Schlüssel-Lieferanten durch Online-Umfragen in Verbindung mit Risikoinspektionsprogrammen vor Ort erfasst. Anschließend wurden diese Daten in das Lieferantenmanagement-Programm des Unternehmens integriert. Auf dieser Grundlage konnten mehr als 2.000 Lieferanten hinsichtlich ihrer Versicherungsfähigkeit eingestuft werden.

Auf der Grundlage der Höhe von Versicherungsschäden (€)
AGCS analysierte zwischen Juli 2013 und Juli 2018 über 470,000 Versicherungsschäden in über 200 Ländern. Diese Schäden hatten einen ungefähren Wert von 58.1 Mrd. EUR (66.5 Mrd. USD). Die größte Einzelschadenursache war Feuer/Explosion (ausschließlich Waldbrände), die Schäden in Höhe von mehr als 15 Mrd. USD verursachten.

* Nur ausgewählte Länder.

Die Risikobewertung im Hinblick auf Feuer und Explosionen entwickelt sich weiter. Inzwischen werden 3D-Scanning zur Fernbewertung von Gebäuden und immer häufiger auch Warnsensoren für Maschinen eingesetzt.

Solche innovative Technologien werden als Bausteine einer Zukunft gesehen, in der Risikobewertungen vollautomatisiert ablaufen und mithilfe von künstlicher Intelligenz durchgeführt werden können.

Trotz dieser Entwicklungen ist es jedoch unwahrscheinlich, dass sich jegliche Brandrisiken wie ein Wunder in Luft auflösen.

Vielmehr wird es immer wieder neue Risiken geben, auf die die bestehenden Schutzmaßnahmen noch nicht eingestellt sind. So nimmt etwa die Zahl der Brände zu, die durch fehlerhafte Batterien und Ladestellen für Elektroautos verursacht wurden. Außerdem ist die enge und konzentrierte Lagerung der Bestände in automatisierten Lagerhäusern mitunter so dicht, dass sie die Brandeindämmung deutlich erschwert.

Unternehmen können das entsprechende Risiko nur senken, indem sie ihre Brandschutzvorkehrungen vor Ort regelmäßig einer Überprüfung unterziehen.

Die Vorbereitung auf den Worst Case kann sich als der wirksamste Schutz erweisen, betont Clark.

„In jeder Fabrik, egal welcher Größe, bricht irgendwann ein Feuer aus. Die Frage ist nur, wie groß es sein wird und wie viel vorher getan wurde, um den Schaden zu begrenzen.“

Vorbeugung: Allgemeine Hausregeln, wie das Fernhalten entzündbarer Materialien (z. B. Papierabfälle) von potenziellen Zündstellen, lassen sich ohne Weiteres umsetzen; unerlässlich ist die Einführung von allgemeinen Verfahren und Managementprogrammen im Hinblick auf die Überprüfung der Brandschutzausrüstung, der Notfall-Schulung und der Gefahrenanalyse.

Eindämmung: Ein automatischer Sprinklerschutz kann der effektivste Weg sein, die Ausbreitung eines Feuers zu verhindern. Szenen aus Hollywood-Filmen vermitteln einen falschen Eindruck, denn ein kleines Feuer führt nicht dazu, dass Sprinkleranlagen das gesamte Gebäude fluten; vielmehr beschränkt sich der durch Spritz- und Löschwasser verursachte Schaden auf den betroffenen Bereich.

Planung: Die Planung vor dem Ernstfall sowie in umfassender Weise dokumentierte Verfahren, mit denen jeder Mitarbeiter vertraut ist, erleichtern der örtlichen Feuerwehr die Arbeit und sorgen dafür, dass der Brand nur das Gebäude betrifft.

Regeneration: Ist der Brand gelöscht, legt ein wirksamer Plan zur Geschäftsfortführung fest, wie der betriebliche Normalzustand so schnell wie möglich wiederhergestellt werden kann. Hier entwickeln die Versicherer Szenarien für ihre Kunden und erstellen eine Verlustschätzung, sodass selbst unerwartete Vorfälle kein böses Erwachen zur Folge haben.

Foto: WikiMedia Commons
[1] Auto News, Ford to restart F-150 output Friday following supplier fire, 16. Mai 2018
[2] Lansing State Journal, Official: No cause found in Meridian magnesium fire by fire investigators, 21. Mai 2018
This article is part of the our Global Risk Dialogue. Appearing twice a year, Global Risk Dialogue is the Allianz Global Corporate & Specialty magazine with news and expert insights from the world of corporate risk.
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